• Banner zur Sonderausstellung Witches in Exile

Witches in Exile. Fotografien Ann-Christine Woehrl. Installation Senam Okudzeto

München, Oktober 2023. Immer wieder werden Menschen von Gemeinschaften für ein vermeintliches Gemeinwohl stigmatisiert und ausgegrenzt. Am Beispiel der abgeschiedenen Northern Region im Norden Ghanas widmet sich die Ausstellung Witches in Exile dem Glauben an Hexerei, der vornehmlich Frauen zu Sündenböcken werden lässt. Solche Vorstellungen existieren in vielen Weltregionen und beschränken sich keineswegs auf ländliche oder bildungsbenachteiligte Kreise. Heute finden in mehr als 40 Ländern Hexenverfolgungen statt.
Auf einer gemeinsamen Reise durch Ghana bis Burkina Faso im Jahr 2005 setzten sich die Künstlerinnen Ann-Christine Woehrl und Senam Okudzeto mit der zeitgenössischen Hexenverfolgung auseinander.

Im Mittelpunkt der Sonderausstellung stehen Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden. Neid und Missgunst sowie der Vorwurf, für Krankheiten, Todesfälle, Dürren und andere Katastrophen verantwortlich zu sein, haben diese Frauen zu geächteten Außenseiterinnen gemacht. Oft in Todesgefahr, wurden sie in sogenannte »witch camps« exiliert. Diese Dörfer, von denen es in Ghana heute acht gibt, befinden sich in sehr abgelegenen Gebieten, weit entfernt von der Hauptstadt Accra. Aus diesem Grund waren sich nur wenige Menschen zur damaligen Zeit in Ghana ihrer Existenz bewusst. Ann-Christine Woehrl zeigt diese Frauen in einer eindringlichen konzeptionellen Porträtserie in ihrer ganzen Würde und Verletzlichkeit – und mit all ihrem Stolz.
Den allgemeineren Kontext der Hexendörfer und der Porträts illustriert Senam Okudzeto in einer Multimedia-Installation – bestehend aus Fotografien aus dem erweiterten Archiv von Ann-Christine Woehrl sowie aus ihren eigenen Fotos, Zeichnungen und Malereien, die speziell für diese Ausstellung angefertigt wurden. Senam Okudzeto erzählt von der gemeinsamen Reise durch Ghana in die Northern Region, wo sie und Ann-Christine Woehrl zwei sehr unterschiedliche »witch camps« besucht haben – Kukuo und Gambaga. Die Arbeiten von Okudzeto und Woehrl veranschaulichen das soziale und wirtschaftliche Gefälle, welches zum damaligen Zeitpunkt zwischen den vom Volta-Stausee abgeschnittenen nördlichen Gebieten und dem sich rasch entwickelnden Zentrum Ghanas sowie seinen Küstenregionen mit seiner Hauptstadt Accra bestand. Dadurch wird versucht, die Porträtserie, die zwischen 2009 und 2013 in den Dörfern Gambaga und Gushiegu entstanden ist, in einen komplexeren geografischen, zeitlichen, sozialen, politischen, religiösen und auch wirtschaftlichen Kontext einzubetten.
Das Museum Fünf Kontinente nimmt die aktuell politische Brisanz des Themas in Ghana und den dortigen kritischen Diskurs über Hexenverfolgung und die Schließung der Hexendörfer zum Anlass, Witches in Exile zum jetzigen Zeitpunkt zu zeigen. Gertrude Nkrumah widmet sich hierfür den soziopolitischen Fragen der aktuellen Debatte.

Die ghanaische Historikerin Gertrude Nkrumah promoviert am Institut für Afrikastudien der Universität von Ghana, Legon und lehrt am Department History Education an der University of Education, Winneba. Sie war an mehreren Beratungsaufträgen auf nationaler und internationaler Ebene beteiligt, darunter Transforming Teacher Education and Learning (T-TEL) und am Institute for Teacher Education and Continuing Professional Development (ITERCPD). Als Mitglied von Exploring Visual Cultures  ist sie Teil eines Teams von Expertinnen und Experten, das derzeit ein länderübergreifendes Lehrbuch für den Kunstunterricht an Sekundarschulen in Ghana und Deutschland entwickelt.

Senam Okudzeto ist eine britische, postnationale Künstlerin US-amerikanischer und ghanaischer Abstammung. Sie lebt und arbeitet in Basel. Da sie von klein auf in den USA, Großbritannien, Europa und Westafrika gelebt hat, ist sie in vielen verschiedenen Kulturen sowohl Insiderin als auch Outsiderin. Als eine Art Übersetzerin kultureller Erfahrungen fließen in ihre Arbeit westafrikanische, US-amerikanische und europäische Perspektiven ein. Okudzeto ist promovierte Kulturwissenschaftlerin (London Consortium, Birkbeck College) und hat Malerei an der Slade School of Fine Art, am Royal College of Art London sowie im Rahmen des Whitney Museum Independent Study Program (ISP) studiert.

Ann-Christine Woehrl ist eine deutsch-französische Fotografin. Seit den Anfängen ihrer Karriere nach ihrem Studium in Paris dokumentiert sie das Leben von Frauen, die als Außenseiterinnen am Rande der Gesellschaft stehen (unter anderem die auch schon im Museum Fünf Kontinente gezeigten Projekte Un/Sichtbar und Der Frieden trägt den Namen einer Frau). Die Serie Witches in Exile wurde bereits national wie international ausgestellt, etwa auf dem International Festival of Photography in Belo Horizonte (Brasilien) oder dem Angkor Photo Festival in Kambodscha.
Witches in Exile wurde in Kooperation mit Simon Ngota, dem Gründer der ghanaischen NGO Witch-hunt Victims Empowerment Project realisiert (weitere Informationen unter www.witches-in-exile.art).